Island, kurz nach Mitternacht: Die Sonne schwebt dicht über dem Meer am Horizont und taucht das Land in ein geheimnisvolles Licht. Warum geht sie nicht unter? Welchen Effekt hat die ständige Sonneneinstrahlung auf die Menschen? Ein Erklärungsversuch.
Wie lässt sich die Mitternachtssonne erklären?
Um Mitternacht hat die Sonne den tiefsten Punkt ihrer Bahn erreicht. In Ländern wie Norwegen, Finnland oder Grönland ist sie im Sommer jetzt immer noch zu sehen. Je näher man dem Nordpol ist, desto länger hält sich die Sonne am Horizont. An manchen Orten nur einen Tag, an anderen fünf Monate.
Wissenschaftlich gesehen lässt sich die Mitternachtssonne durch die Neigung der Erdachse erklären: Im Sommer neigt sich der Nordpol zur Sonne hin, es wird wärmer auf der Nordhalbkugel und oberhalb des nördlichen Polarkreises ist die Sonne auch nachts noch zu sehen.
Was sich die indigenen Stämme wohl dachten, als sie feststellten, dass die Sonne nicht wie gewohnt im Meer versank? Vielleicht hat die Mitternachtssonne ihre Phantasie genauso angeregt wie die Polarnacht, die das Licht ganz zum Verschwinden bringt. Jedenfalls ist auch heute noch zu beobachten, dass die Bewegungen der Sonne einen direkten Einfluss auf die Menschen haben.
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Leben mit der Mitternachtssonne
Wie das Phänomen im Detail aussieht, ist von Region zu Region unterschiedlich. In Spitzbergen hat man den Eindruck, es könnte auch Mittag sein, am Nordkap fühlt man sich eher an die frühen Abendstunden erinnert, weil die Sonne das Meer in warme Töne taucht.
Manche Menschen haben Schlafprobleme, weil ihr Körper nicht realisiert, dass es eigentlich Nacht ist. Andere kennen diese Beschwerden nicht und schlafen auch unter der Mitternachtssonne ausgezeichnet. Wenn auch teilweise hinter dicht verschlossenem Rollo.
Das Leben verlagert sich in die Nacht: Kinder spielen auf der Straße, Männer mähen ihren Rasen und kleine Gruppen brechen zu einer Wandertour auf, um das Schauspiel zu beobachten, das die Sonne nun bietet. In Grönland sind die massigen Gletscher in zarte Farbtöne getaucht und wirken wie aus einer Traumlandschaft.
Wo du die Mitternachtssonne beobachten kannst
Je nördlicher du bist, desto länger kannst du die Mitternachtssonne bestaunen. In Norwegen ist sie in manchen Teilen von April bis August, in anderen von Mai bis Juli zu sehen. Auch Schweden oder Finnland sind beliebte Reiseziele für Menschen, die die Mitternachtssonne erleben möchten.
In Island gibt es die „echte“ Mitternachtssonne nur auf der Insel Grimsey, die direkt auf dem Polarkreis liegt. Sie hat aber nur 100 Einwohner und daher keine gute touristische Infrastruktur. Weiter südlich ist allerdings auch die „unechte“ Mitternachtssonne zu sehen, die nach 24 Uhr untergeht. Die Stadt Akureyri, die an der Nordküste der Insel liegt und ein beliebtes Reiseziel ist, bietet sich zur Beobachtung an. Rund eineinhalb Monate vor und nach der Sommersonnenwende sind die Nächte hell. Wer möchte, kann das Erlebnis der Mitternachtssonne mit Yoga oder Wanderungen verbinden.
Auch der Norden Grönlands eignet sich gut, um den Zauber heller Nächte zu erfahren. Reise zum Beispiel in die nördlichste Stadt der Insel, Qaanaaq, in der rund 650 Menschen leben. Wenn du dich für die Bräuche der Schamanen interessierst, bietet sich auch eine Gruppenreise mit dem Schamanen Angaangaq an, bei der du die Mitternachtssonne bei einer spirituellen Wanderung erlebst.